Die Resozialisierung beginnt schon am ersten Tag
Hannelore Haindl ist Sozialarbeiterin in der Justizanstalt Simmering. Sie erzählt warum Sozialarbeit wichtig ist, wie Arbeit zur Resozialisierung beiträgt, warum man Smartphones erklären können muss, und wieso Fußball in ihrer Arbeit eine Rolle spielt.
„Keep calm and love Oranje“ steht groß auf einem Poster an der Wand im Büro von Hannelore Haindl: „Das ist ganz gut so, denn die Insassen wissen, dass ich beim Fußball ein Holland-Fan bin. Wenn Oranje mal verliert, dann sprechen mich die Insassen ein bisschen spöttisch darauf an. Das ist aber gut so, denn ich muss mit ihnen ja eine Beziehung aufbauen und hier kann das Thema Fußball ein Eisbrecher sein”.
Hannelore Haindl ist Amtsrätin und Diplomierte Sozialarbeiterin in der Justizanstalt Wien-Simmering. Da ist eine Beziehung mit Insassen aufbauen und maßgeschneidert arbeiten können ein Schlüssel zu einer erfolgreichen Resozialisierung. Drei Phasen sind ausschlaggebend für die Sozialarbeit im Strafvollzug: Die Zugangsphase bei Haftantritt, Beratung und Betreuung während der Haft und die Entlassungsvorbereitung.
„In der Anfangsphase einer Haft müssen wir einen Gesamteindruck gewinnen. Welche Ressourcen nimmt jemand mit – etwa Bildungshintergrund, Verantwortungsbewusstsein, familiäre und Wohnsituation etc. –, welche Lücken sind vorhanden, was braucht dieser Mensch in dieser Situation, was sind die speziellen Bedürfnisse. Die Resozialisierung beginnt schon am ersten Tag“, sagt Haindl. „Nicht alle, aber der Großteil der hier inhaftierten Männer, haben Taten begangen, die auf eine Notsituation basieren. Das Problem ist, dass viele keine andere Lösungskompetenz sozial erlernt haben und glaubten nur durch eine kriminelle Handlung ihre Not lösen zu können.“
Während der Haft gehen die sozialarbeiterischen Arbeiten sukzessive weiter. Neben sozialer Beratung, Betreuung und Gruppenarbeiten betrifft dies auch den Faktor Arbeit. „Arbeit ist eine Säule der persönlichen Identität. Draußen definiert sich ein Großteil der Menschen über die Arbeit, das ist in Justizanstalten nicht anders“, so Haindl. „Struktur und Arbeit heben das Selbstwertgefühl. Dies kann man hier lernen.“
Folgerichtig ist die Arbeitsmarktberatung ein zentraler Punkt bei den Vorbereitungen zur Entlassung aus einer Justizanstalt. Neben vielen bürokratischen, sozialen oder familiären Fragen ist die Zukunft als Arbeitnehmer ein entscheidender. „Natürlich kehren manche später wieder in die Justizanstalt zurück. Dann müssen wir überprüfen, woran das Scheitern denn lag. Aber glücklicherweise gibt es auch viele Erfolgserlebnisse.“ An D.K. denkt Frau Haindl da etwa: „Er hat hier in der Justizanstalt Simmering 22-jährig eine Lehre als Schlosser begonnen. 2014 wurde er entlassen. Heute ist er in einem großen Schlossereibetrieb Wiens Vorgesetzter von Mitarbeitern“.
Bei manchen Entlassungsvorbereitungen geht es um technische Fragen. „Manchmal müssen wir Insassen vor der Entlassung erklären, wie ein Smartphone funktioniert. Die hatten bei langjährigen Haftstrafen ja noch nie eines in der Hand.“ Aber das ist für Hannelore Haindl kein Problem: „Wir als Sozialarbeiter und -arbeiterinnen sind es gewöhnt Mädchen für alles zu sein“, sagt sie und lächelt dabei.